Museo di Castelvecchio

Ort: Verona
Architekt: Carlo Scarpa
Homepage: https://museodicastelvecchio.comune.verona.it/


Inhaltsverzeichnis


Beschreibung

Das Museo di Castelvecchio in Verona ist weit mehr als nur eine mittelalterliche Festung. Es ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie historische Bausubstanz und moderne Architektur in einen tiefgründigen Dialog treten können.

Diese Transformation ist untrennbar mit dem Namen des venezianischen Architekten Carlo Scarpa verbunden, dessen meisterhafter Umbau zwischen 1958 und 1974 das Museum zu einem Wallfahrtsort für Architekturliebhaber aus aller Welt gemacht hat.

Die Vision eines modernen Museums

Mitte der 1950er Jahre wurde Carlo Scarpa vom damaligen Museumsdirektor Licisco Magagnato mit der Neugestaltung und Restaurierung des Castelvecchio beauftragt. Das Schloss, ursprünglich im 14. Jahrhundert als Festung der Scaliger-Familie erbaut, war über die Jahrhunderte mehrfach umgebaut und im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden. Scarpa sah in dem Projekt nicht nur eine reine Wiederherstellung, sondern die Chance, einen völlig neuen Museumstypus zu schaffen. Seine Arbeit, die sich über fast zwei Jahrzehnte erstreckte, gilt heute als sein Meisterwerk und eine Lektion in der Restaurierung historischer Komplexe.

Carlo Scarpas philosophischer Ansatz

Carlo Scarpas Herangehensweise an das Castelvecchio war revolutionär. Anstatt die Spuren der Geschichte zu verwischen, hob er sie hervor und stellte sie modernen Elementen gegenüber. Sein Ziel war es, die verschiedenen historischen Schichten des Gebäudes – von den römischen Fundamenten bis zu den napoleonischen Umbauten – sichtbar und erlebbar zu machen.

Wesentliche Merkmale seiner Architektur im Castelvecchio sind:

  • Dialog zwischen Alt und Neu: Scarpa fügte neue Elemente aus Beton, Stahl und Glas hinzu, trennte diese aber stets subtil vom historischen Bestand. Fugen, Schlitze und kleine „Gräben“ schaffen eine klare visuelle Unterscheidung und erzeugen eine Spannung zwischen den Epochen.
  • Materialität und Handwerkskunst: Er kombinierte meisterhaft moderne Materialien mit traditionellen, lokalen Werkstoffen wie dem rosafarbenen Prun-Stein. Jedes Detail, von Türgriffen über Treppengeländer bis hin zu den Halterungen für die Kunstwerke, wurde individuell entworfen und zeugt von höchster handwerklicher Präzision. Scarpa stand in ständigem Austausch mit den Handwerkern und überarbeitete seine Zeichnungen fast täglich.
  • Inszenierung des Raumes und der Kunst: Die Besucherführung wurde komplett neu konzipiert. Scarpa schuf neue Wege, Treppen und Übergänge, die den Besucher auf eine sorgfältig choreografierte Reise durch das Museum schicken. Anstatt die Kunstwerke in einen vorgegebenen Raum zu stellen, schuf er die Architektur um die Kunstwerke herum. Jedes Gemälde und jede Skulptur erhielt eine individuelle Präsentation, die ihre einzigartigen Qualitäten hervorhebt.

Herausragende architektonische Eingriffe

Scarpas Handschrift ist im gesamten Komplex sichtbar. Einige seiner markantesten baulichen Eingriffe am Castelvecchio sind:

  • Die Reiterstatue des Cangrande: Das wertvollste Monument der Veroneser Geschichte, die Statue von Cangrande I. della Scala, wurde von Scarpa aus dem Inneren des Museums nach außen verlegt. Er platzierte sie auf einem eindrucksvollen, sieben Meter hohen Betonsockel im Innenhof, wo sie von verschiedenen Punkten des Museums aus sichtbar ist und eine dramatische Kulisse bildet.
  • Die Galerie: Im Flügel aus dem 19. Jahrhundert entfernte Scarpa historisierende Fresken und ersetzte sie durch schlichten Putz. Die gotischen Fenster erhielten eine von Piet Mondrian inspirierte, vorgelagerte Metallstruktur, die das einfallende Licht filtert und gleichzeitig einen modernen Kontrapunkt zur historischen Fassade setz
  • Detailverliebtheit: Kein Detail gleicht dem anderen. Scarpa vermied bewusst Wiederholungen in Fenstergittern, Betonoberflächen oder Holzverkleidungen. Seine einzigartigen Entwürfe für Böden, Decken und speziell angefertigte Leuchten und Vitrinen machen den Museumsbesuch zu einer Entdeckungsreise. Ein besonderes Beispiel ist das „Sacello“, ein kleiner kubischer Raum, dessen Mosaikfliesen aus Marmor an moderne Kunst erinnern.

Scarpas Vermächtnis

Carlo Scarpas Arbeit am Castelvecchio hat die moderne Museumskonzeption nachhaltig geprägt. Sein sensibler und zugleich radikaler Umgang mit einem historischen Monument schuf ein Gesamtkunstwerk, in dem Architektur, Geschichte und Kunst zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Der Eingriff war seinerzeit umstritten, doch heute gilt er als beispielhaft für eine gelungene Verbindung von Alt und Neu und zieht jährlich unzählige Architekturstudenten und -interessierte an, die oft mehr wegen Scarpas Details als wegen der ausgestellten Kunstwerke kommen.


Galerie

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