Staatsgalerie Stuttgart

Ort: Stuttgart
Architekt: James Stirling
Homepage: https://www.staatsgalerie.de/de


Inhaltsverzeichnis


Beschreibung

Architektur der Staatsgalerie Stuttgart

Die Staatsgalerie Stuttgart ist eines der bedeutendsten Kunstmuseen Deutschlands – nicht nur wegen ihres umfangreichen Bestands, sondern auch wegen ihrer außergewöhnlichen Architekturgeschichte, die drei sehr verschiedene bauliche Epochen miteinander vereint: Klassizismus, Postmoderne und zeitgenössische Erweiterung. Das Ensemble ist ein architektonisches Spiegelbild der Museums- und Stadtgeschichte sowie ein stilistisches Statement zur Rolle von Tradition und Moderne.

Die Alte Staatsgalerie: Klassizistische Anfänge

Das museale Herz der Staatsgalerie Stuttgart entstand 1838–1842 nach Plänen von Gottlob Georg von Barth. Im Auftrag von König Wilhelm I. wurde das »Museum der Bildenden Künste« als klassizistisches, dreiflügeliges Gebäude errichtet, das 1843 eröffnet wurde. Die gliedernde Fassade, die streng geometrische Raumaufteilung und die Verwendung klassischer Säulenordnungen verankerten das Museum fest in der Tradition des Historismus und spiegelten den Bildungsanspruch des 19. Jahrhunderts wider. Zu Beginn waren hier neben den Kunstsammlungen auch die Stuttgarter Kunstschule und das Kupferstichkabinett untergebracht. Zwischen 1881 und 1888 baute Albert von Bok das Gebäude nach hinten um zwei Flügel erweitert.

Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, erfolgte der Wiederaufbau der Staatsgalerie Stuttgart 1946–1958 unter Maximilian Debus – dabei blieb das klassizistische Erscheinungsbild weitgehend erhalten. Heute zeigen die Räume der Alten Staatsgalerie vor allem Malerei und Skulptur vom Hochmittelalter bis ins 19. Jahrhundert.

Neue Staatsgalerie: Postmoderne Ikone

Einen radikalen Gegenentwurf stellt die Neue Staatsgalerie dar, die von 1979 bis 1984 nach Entwürfen des britischen Architekten James Stirling (mit Michael Wilford) errichtet wurde. Stirlings Bau zählt zu den Schlüsselwerken der Postmoderne in Deutschland, was sich sowohl in der expressiven Materialität als auch im abwechslungsreichen Formenkanon niederschlägt:

  • Stilistische Zitate und Bruch: Die Fassade zitiert Elemente klassizistischer Museumsbauten, etwa die Rotunde als Reminiszenz an Schinkels Altes Museum in Berlin, und kombiniert sie mit gläsernen, modernen Satteldächern, bunten Stahlträgern und auffälligen Entlüftungsrohren.
  • Farben und Materialien: Leuchtende Farben – darunter eine grüne, geschwungene Fassade, pinke und blaue Treppengeländer –, heller Naturstein, Stahl, Beton und Glas sorgen für einen bewussten Kontrast zur klassischen Umgebung.
  • Raum- und Stadtbezug: Die Integration in die Topografie des Stuttgarter Kunstareals erfolgte durch Rampen, die wie eine antike Akropolis zur Rampe hinaufführen, und durch vielfältige Durchblicke, die das Museum als »Stadt in der Stadt« inszenieren.
  • Gegenwartsbezug und Kontroverse: Die Architektur der Neuen Staatsgalerie war bei ihrer Eröffnung höchst umstritten, wurde jedoch schnell zum Aushängeschild Stuttgarter Kulturpolitik und 2014 als »Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung« gewürdigt.

Graphische Sammlung: Moderne Erweiterung

Nach der Jahrtausendwende entstand 2000–2002 ein weiterer Erweiterungsbau, entworfen vom Schweizer Architektenpaar Katharina und Wilfrid Steib. Dieser fünfgeschossige, lichtdurchflutete Bau beherbergt die Graphische Sammlung sowie zusätzliche Ausstellungssäle und ist über Glasbrücken direkt mit dem Altbau verbunden. Die klare, zeitgenössische Formensprache und die Sichtbezüge zum historischen Ensemble zeigen, wie modernes Museumsbauen den Bezug zur Tradition wahren kann.

Architektur als Statement

Das Zusammenspiel der drei Baukörper demonstriert, wie eine Institution das klassische Erbe wertschätzt und zugleich mutig neue Wege beschreitet. Während der Altbau die Verwurzelung in der Kunstgeschichte symbolisiert, steht der Stirling-Bau für Offenheit, Experimentierfreude und Internationalität. Die Erweiterung des 21. Jahrhunderts bringt das Museum in Dialog mit dem Stadtraum und schafft Raum für zeitgenössische Werke und Ausstellungsformate.

Bedeutung für Stuttgart

Die Staatsgalerie Stuttgart ist heute ein Publikumsmagnet und ein integraler Bestandteil der Stuttgarter Museumslandschaft. Das Ensemble bietet mit über 800 Jahren Kunstgeschichte nicht nur eine eindrucksvolle Sammlung, sondern auch ein architektonisches Erlebnis, das Stil, Geschichte und Stadtentwicklung spiegelt. Die bewusste, kontrastreiche Verbindung von Alt und Neu ist bis heute ein viel diskutiertes, aber auch ausgezeichnetes Beispiel für Museumsarchitektur im internationalen Maßstab.

Die Staatsgalerie Stuttgart ist ein einzigartiges Beispiel für die gelungene Synthese aus historischer Bausubstanz, postmodernem Gestaltungswillen und zeitgenössischer Erweiterung. Sie dokumentiert nicht nur die Entwicklung der Museumsarchitektur, sondern auch die Offenheit Stuttgarts für architektonische Experimente – und steht so für eine lebendige, vielseitige Kunstszene in Baden-Württemberg.


Galerie

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